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      Die Letzte der Familie Tucholsky

      Autor: Eckhard Spoo, in Ossietzky-Blätter. 11/2001 (Seite 367 – 370)

      Brigitte Rothert speist gern in der »Restauration Tucholsky« an der Torstraße, Ecke Tucholsky Straße im Berliner Bezirk Mitte. Da ist alles frisch, was der Koch in die Topfe und Pfannen füllt, die Zubereitung braucht ihre Zeit, und derweil können sich die Gäste an Tucholsky-Zitaten, an Fotos des Dichters und allerlei Dokumenten aus seinem Leben ergötzen. Die Wände des Lokals sind voll davon.

      Gern besucht Brigitte Rothert auch die Tucholsky-Bibliothek an der Esmarchstraße im Stadtteil Prenzlauer Berg. Und sie lässt keine Vorstellung des Zimmertheaters Karlshorst im Stadtteil Lichtenberg aus, wo ihr Freund Wolfgang Helfritsch als Regisseur und Hauptdarsteller wirkt; der ist wie sie in der Kurt-Tucholsky-Gesellschaft aktiv und hat einen Tucholsky-Abend im Repertoire. Eng ans Herz gewachsen ist ihr in den letzten Jahren eine Gesamtschule in Minden (Westfalen), die nach Tucholsky benannt ist. Wenn sie dort oder anderswo temperamentvoll über »Kurtchen« redet, kann es so klingen, als wäre er ihr Neffe gewesen und als hätte sie ihn in seinen frühesten Jahren auf ihren Knien geschaukelt. Eher hätte er, ein Vetter ihrer Mutter, sie schaukeln können, wenn er Deutschland nicht schon vor ihrer Geburt 1928 verlassen hätte. Aber sie erinnert sich an einen Besuch bei seiner Mutter 1939 in Berlin: ihrer Großtante Doris, deren Leben vier Jahre später im KZ Theresienstadt endete.

      Was die letzte Überlebende der Familie über den berühmten Autor zu erzählen hat, ist zum Teil angelesen, aber sie vermittelt es so lebhaft und lebensklug, so frei von andächtigen Tönen, so direkt und gelegentlich auch ein bisschen schnoddrig, dass es eine Freude ist, ihr zuzuhören; und sie kennt sich in dem Thema wirklich gut aus. Ihre wichtigste Geschichte jedoch, auf die sie nicht so schnell zu sprechen kommt, ist die ihres »arischen« Vaters und ihrer »jüdischen« Mutter und des einzigen gemeinsamen Kindes: ihre eigene Geschichte.

      Ihre eigene Geschichte

      Als sie gerade sechs Jahre alt war, ließ sich der Vater, Architekt in Dresden, von der Mutter scheiden - nicht lange nachdem die Nazis an die Regierung gelangt waren. Schon vorher war er in die NSDAP und SA eingetreten. Eines Tages forderte die Mutter .sie auf: »Sag ,Auf Wiedersehen' zu Vati, wir ziehen fort. Er bleibt ohne uns hier.« Immerhin überließ er ihnen eine Wohnung in der Nähe, die ihm gehörte. Bald darauf heiratete er eine 23 Jahre jüngere Frau, die zwei Kinder bekam. Er begann, seine Unterhaltspflichten zu vernachlässigen. Brigittes Mutter, die gegen ihn prozessieren musste, erkrankte an Lungentuberkulose; für einige Monate verschwand sie im Schwarzwald in dem einzigen Sanatorium, das noch Menschen aufnahm, die nach Nazi-Definition Juden waren. Derweil wurde auch das Kind krank: Ein Ekzem breitete sich über den ganzen Körper aus. Aus jener Zeit behielt Brigitte Rothert im Gedächtnis, wie sie einmal beim Vater zum Essen war. »Es klingelte. Vater ging die Tür öffnen. Da sagte seine neue Frau zu mir: Dass Du jetzt ja nicht Vati sagst.«

      Brigitte war getauft, wie auch die Mutter schon als Kind getauft worden war. In der Schule nahm sie am evangelischen Religionsunterricht teil. Da machte der Lehrer unverständliche Anspielungen. Er sagte zum Beispiel, Brigitte müsse sich doch im Alten Testament besonders gut auskennen. Erst am Tage nach der Reichspogromnacht, sie war zehn Jahre alt, erzählte ihr die Mutter von ihrer Herkunft: Sie war Deutsche, in Deutschland geboren, christlichen Glaubens. Von der jüdischen Religion hatte sie keine Vorstellungen. Sie war nie in die Synagoge gegangen, hatte die jüdischen Feiertags- oder Küchengebote nie beachtet; sie kannte sie gar nicht. Doch in den Nürnberger Rassegesetzen stand: Jude sei, wer mindestens drei der »Rasse« nach »volljüdische« Großeltern habe. Brigittes Mutter hatte vier.

      Die systematische Entrechtung begann. Die Mutter erhielt die »Judenkennkarte«. Brigitte erfuhr, dass ihr als »Mischling eisten Grades« nach der vierten Klasse jeder höhere Schulbildungsweg versperrt war. Nachdem sie sich hatte prüfen lassen, sagte der Lehrer vor der ganzen Klasse: »Du hast natürlich bestanden, aber aus rassischen Gründen wirst Du nicht aufgenommen.« Nie wird Brigitte Rothert vergessen, wie Klassenkameradinnen sie nachher auf der Straße verspotteten und drangsalierten, sogar mit Steinen nach ihr warfen.

      Reichspogromnacht

      Die jüdischen Männer, die nach der Reichspogromnacht eingesperrt worden waren, kehrten - fast alle - nach einigen Wochen mit geschorenen Köpfen zurück. Aus dem KZ Buchenwald kam damals Onkel Rudi, ein Bruder ihrer Mutter. Mit seiner »arischen« Freundin hatte er sich »im kleinen Grenzverkehr«  zu einem Tagesausflug in die Tschechoslowakei verabredet. Bei der Rückkehr wurde er festgenommen. Wegen »Rassenschande« sperrte man ihn ins Zuchthaus Zwickau, dann in das KZ bei Weimar. Er wurde freigelassen, weil Verwandte im Ausland sich erfolgreich darum bemüht hatten, dass er in die USA auswandern konnte. Die letzten drei Wochen, bevor das Schiff in Hamburg ablegte, wollte er bei seiner Schwester verbringen. »Nach einigen Tagen«, berichtet Brigitte Rothert, »erhielten wir einen Brief meines Vaters: Der KZ-Jude Tucholsky solle so schnell wie möglich sein Haus verlassen, andernfalls werde uns fristlos gekündigt.«

      Auch Brigittes Mutter wollte nun auswandern. In Australien fand sich jemand bereit, sie als Hausmädchen anzustellen und für sie zu bürgen - aber nicht für das Kind. Die Mutter entschloss sich, mit Hilfe der christlichen Gemeinschaft der Quäker Brigitte zeitweilig in Schottland unterzubringen, um sie später nach Australien nachzuholen. Für diese Pläne mussten viele Papiere besorgt werden. Das kostete viel Zeit. Im Oktober 1939 sollte das Schiff nach Australien auslaufen. Mit dem Kriegsbeginn am 1. September zerschlugen sich die Hoffnungen.

      Die Mutter, die statt Anne-Marie jetzt amtlich Anne-Marie Sara hieß, durfte die Stadt nicht mehr verlassen, kein Kino, kein Museum, keine Bibliothek, kein Restaurant mehr besuchen, in keinem Park mehr spazieren gehen, im Sommer nach 21 Uhr, im Winter nach 20 Uhr die Straße nicht mehr betreten. Nach einem ersten Verhör bei der Gestapo musste sie ihr Radio abliefern.

      Erniedrigungen

      Eine Erniedrigung folgte der anderen. Für die Mutter wurde es auch immer schwieriger, Arbeit zu finden, um sich und die Tochter zu ernähren. Eine Nachbarin terrorisierte die beiden. Eines Tages hing an der Wohnungstür ein Schild: »Hier wohnt eine Jüdin«. Später bei Fliegeralarm durften die beiden nicht mit den anderen Hausbewohnern im Luftschutzkeller sitzen. Und dann befahl die Gestapo den Umzug in ein Zimmer in einem »Judenhaus«.

      Brigitte Rotherts weitere Geschichte enthält viele Details, die wir so oder ähnlich aus Victor Klemperers Tagebüchern kennen: Der Gestapo-Mann, der eine 80jährige Jüdin ohrfeigt. Die Hausdurchsuchung, bei der die Polizisten Wäschestücke zerschneiden, Fotografien von Angehörigen in kleinste Schnipsel zerreißen und sich mit den Worten verabschieden, bis zum nächsten Morgen müsse alles in Ordnung gebracht werden, sie kämen kontrollieren. Der dumme, brutale Nachbarssohn Clemens, der als Amtsperson den Juden den Strick empfiehlt, weil alles andere, zum Beispiel Gas, für sie noch zu wertvoll sei.

      Brigitte, die keinen Beruf erlernen darf, verdient als Hilfskraft einige Mark im Monat; dafür muss sie sich von früh bis spät abrackern, auch am Wochenende, nur der Sonntagnachmittag ist frei. Die Mutter erhält wieder eine Vorladung zur Gestapo: In ihrer Handtasche hat man eine nicht abgeschickte Postkarte gefunden, die drauf hindeutet, dass sie noch Kontakt zu einer »Arierin« hat. Die zweite Frau des Vaters horcht Brigitte bei einem zufälligen Treffen auf der Straße nach weiteren Kontakten der Mutter aus. Was das Kind ihr arglos erzählt, wird kurz darauf der Mutter von den sadistischen Verhörern vorgehalten. Erst nach vier Wochen wird sie aus der Gestapo-Haft freigelassen; alle ihre Zellengenossinnen werden umgebracht. Und aus dem »Judenhaus« wird eine Mitbewohnerin nach der anderen in den Osten abtransportiert, zu den Stätten der Massenvernichtung.

      Solange Brigitte als christliches Kind bei der Mutter lebt, sind beide vor der Vernichtung geschützt. Würde sie sich zum jüdischen Glauben bekennen (der »Mischling ersten Grades« würde nach den Nürnberger Gesetzen so zum »Geltungsjuden«), dann wäre es mit diesem Schutz sofort vorbei. Wenn das Kind aber sagen würde, ich halle es hier nicht mehr aus, ich gehe zum Vater, wäre die Mutter auch sofort verloren. »Das Leben meiner Mutter«, erklärt Brigitte Rothert, »hing an mir. Wir wussten nur nicht, bis zu welchem Alter des Kindes dieses Privileg für die Mutter galt. Heute weiß ich es: bis zum 16. Lebensjahr.«

      1945, Brigitte ist 16

      Am 13. Februar 1945, Brigitte ist 16, kommt die Nachricht: Am 16. soll die Mutter zum Abtransport antreten. Victor Klemperer sagt sarkastisch: »Euch schafft man noch fort, uns stellt man dann gleich hier an die Wand.« Aber die Letzten im Judenhaus werden gerettet - durch den schrecklichen Bombenangriff der Royal Air Force, der mit der Stadt auch das Nazi-Herrschaftsgefüge in Dresden zerstört.

      »Während der Verfolgung gab es nur ganz wenige Deutsche, die zu uns standen - alle anderen waren für uns die Feinde, ringsum«, resümiert Brigitte Rothert. Vom Vater weiß sie (sie hat es schriftlich), dass er sie im Unterhalts verfahren als „Judenstämmling“zeichnet hat: Wenn er für die Tochter aus erster Ehe viel zahlen müsse, sei das zum Nachteil seiner arischen Kinder aus zweiter Ehe; das dürfe doch nicht sein. Später sprach sie mit dem Vater nie ein Wort über die Nazi-Zeit - »ich war wohl zu feige«.

      Die Mutter hoffte nun ihre Pläne von 1938 verwirklichen zu können. Sie wollte zu ihrem Bruder Rudi auswandern, wurde aber wegen ihrer TBC von den US-Behörden abgewiesen. Sie arbeitete dann bei der Dresdener Stadtverwaltung im Sozialamt, lebte zurückgezogen, ging weiterhin weder ins Kino noch ins Theater. Sie sagte: »Ich setze mich nicht neben Leute, die mich gestern noch umbringen wollten«, erinnert sich Brigitte Rothert und fügt hinzu: »Das war auch mein Problem mit deutschen Männern.« Der Vater arbeitete unter Leitung des berühmten Architekten Henschmann am Aufbau Ost-Berlins mit. Der brutale Nachbarssohn Clemens machte in Westdeutschland Karriere. Brigitte Rothert selber erhielt die Möglichkeit, in einem Schnellkurs Russischlehrerin zu werden. Der DDR ist sie dankbar für die Achtung, die den Verfolgten des Nazi-Regimes von Gesetz wegen erwiesen wurde; auch für manchen Vorteil wie unentgeltliche Benutzung von Bussen und Straßenbahnen, der ihnen nach der »Wende« rasch entzogen wurde; und bald verschwanden manche Gedenktafeln, die in DDR-Zeiten angebracht worden waren, um an ermordete Antifaschisten zu erinnern. Heute, längst pensioniert, bringt Brigitte Rothert aus Russland zuwandernden Jüdinnen und Juden Deutsch bei - in der Oranienburger Straße, gleich um die Ecke von der Tucholskystraße in Berlin-Mitte.

       

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