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      Willkommen zum Tag der offenen Tür

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      Einmal um die Welt!

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      Warum das Moor nach Zitrone schmeckt

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      Biographische Annäherung

      Michael Hepp über Tucholsky: Meistgehasst und meistgeliebter Publizist in der Weimarer Republik

      aus Michael Hepp: Kurt Tucholsky. Biographische Annäherungen. Hamburg 1993. S. 11 – 14

      «... das breite Publikum will den Unfehlbaren, den, der sich nie irrt» Kurt Tucholsky 1931

      Tucholsky, der linke Pamphletist, da prophetische Warner, der leidenschaftliche und bissige Kritiker, der moralische Zeigefinger der Weimarer Demokratie, der scharfzüngige Chronist einer Epoche, der heute noch so aktuell ist: so haben wir ihn liebengelernt, verehrten ihn auf den Altären unserer aufrechten Gesinnung. Ich auch.

      An meine erste Begegnung mit den Schriften Tucholskys kann ich mich noch gut erinnern. Damals, Anfang der Siebziger, quälte ich mich durch Marx und Marcuse, Pflichtlektüre fast einer ganzen Generation. Zur Erholung las ich Hesse und Hölderlin. Ein Freund, der die Lektüre dieser «dekadent-bürgerlichen Schriftsteller für pubertierende Jünglinge» heftig kritisierte, legte mir eines Tages einen Band Tucholsky auf den Tisch. Mir ging es ähnlich wie diesem bei der Lektüre Schopenhauers: Es war, als hätte jemand das Fenster aufgemacht. Da schrieb einer mit Witz und Wut im Bauch, und was wir in langen, mühsam-quälenden Diskussionen doch nicht begriffen, Tucholsky hatte es mit wenigen Strichen «auf den Punkt» gebracht. Plötzlich verstand ich ohne Mühe Zusammenhänge» Tucholsky hatte es ja alles schon gesagt. Zu jeder Lebenslage', zu jedem Problem gab es ein passendes Tucholsky-Zitat. Klassenjustiz, Militarismus, Demokratiedefizite, zu allen aktuellen Entwicklungen fand ich Erklärungen. (...)

      Seine Buchbesprechungen brachten mir manchen Schriftsteller nahe, den ich sonst vielleicht nie gelesen hätte. Eine kleine Genugtuung empfand ich beim Lesen der sehr positiven Einschätzung Hesses durch Tucholsky. Kurt Tucholsky war eine Autorität für mich geworden. Die wenigen Biographien, die es gab, bestätigten mein Bild von diesem einzigartigen, aufrechten Kämpfer.

      Als ich Ende der Siebziger die Briefbände las, veränderte sich das Bild langsam. Ich merkte, dass ich bislang nur den politischen Schriftsteller wahrgenommen hatte, Mensch und Werk waren für mich zu einer imaginären Einheit verschmolzen. Ich las nun auch seine Texte anders, entdeckte erste Widersprüche, Kontinuitätsbrüche. Leise Zweifel am vorherrschenden Tucholsky-Bild kamen auf. Aber meine Arbeiten über Konzentrationslager, über Albert Speer und dann über die NS-Sozialpolitik beanspruchten mich so, dass für gründlichere Nachprüfungen keine Zeit blieb. Als ich bei meinen Forschungsarbeiten über den Nationalsozialismus allerdings plötzlich in verschiedenen Archiven Dokumente über Tucholsky entdeckte, die bislang in keiner Arbeit über ihn aufgetaucht waren, war meine Neugierde endgültig geweckt. Die Tucholsky-Ausstellung in der Akademie der Künste in Berlin 1985/86 verstärkte die» noch, im Herbst 1986 stand dann für mich fest, dass eine neue Tucholsky-Biographie nötig wäre. 1988 erhielt ich schließlich ein Stipendium, das mir half, diese Biographie zu schreiben.

      Zwei Jahre schienen mir eine ausreichende Zeit, denn noch ging ich davon aus, dass der größte Teil bereits erforscht sei, dass quasi nur die Ecken noch ausgeleuchtet, Ergänzungen und kleinere Korrekturen angebracht werden müssten. Ich dachte, dass ich «meinen Tucho» kannte. Nach einem Jahr war ich der Verzweiflung nahe. Wo ich konkrete Angaben und Daten erwartet hatte, fand ich Widersprüche, ich hatte den Eindruck, dass nichts mehr stimmte. Zu verschiedenen Ereignissen gab es gleich mehrere Daten zur Auswahl, Angaben über Personen aus seinem Umfeld entpuppten sich als falsch oder lückenhaft, zu einzelnen Bereichen seiner Biographie gab es so gut wie keine Unterlagen. Nach einigen freundschaftlichen Gesprächen mit Fritz J. Raddatz, dem Vorsitzenden der Kurt Tucholsky-Stiftung, bekam ich schließlich die Genehmigung, auch alle unveröffentlichten und von Frau Tucholsky gesperrten Materialien einzusehen, einschließlich ihrer Briefe und Tagebücher. Doch dadurch wurde das Bild nur noch unklarer, verwirrender.

      Da trat mir plötzlich ein Seiltänzer entgegen, ein Verzagter vor dem nächsten Tag, ein Suchender und Zweifelnder, ein oft Verzweifelter, kurz: ein Mensch, kein Denkmal. Meine wissenschaftliche Distanz brach zusammen, je mehr ich über Tucholsky erfuhr, und es entwickelte sich ein sehr emotionales Verhältnis.

      Je mehr ich mich aber dem Tucholsky hinter dem offiziellen Bild näherte, desto mehr entzog er sich. Kaum meinte ich, ein biographisches Detail geklärt zu haben, war auch schon wieder das Gegenteil möglich. Je mehr Dokumente ich fand, desto widersprüchlicher wurde das Bild. Wie in einem Zerrspiegel bildeten sich die unterschiedlichsten Formen: verschwommen, verzerrt, zerrissen. Vexierbilder eines Lebens. Schnell merkte ich, dass mehr als eine Annäherung an eine Biographie nicht zu erreichen sei. Alles andere scheint mir auch heute noch vermessen.

      Ich sammelte alles, was ich von oder über Tucholsky finden konnte. In Antiquariaten stöberte ich nach Büchern, die er besprochen hatte; dass ich alle seine Bücher in den Originalausgaben kaufte, war selbstverständlich; durch Zufall konnte ich noch die Totenmaske Tucholskys, die einst bei seiner Zürcher Freundin Hedwig Müller hing, kaufen, kurz bevor sie versteigert werden sollte; zum vierzigsten Geburtstag bekam ich dann auch noch einen seiner leinenüberzogenen Zettelkästen mit seinem Monogramm «K. Tu.» geschenkt. Viele Wochen verbrachte ich in Archiven, suchte auch noch in den entlegensten Aktenbeständen, immer in der Hoffnung, verloren geglaubtes Material zu finden. Manchmal waren die Wege irrwitzig und verschlungen: Prozessakten aus München waren im NSDAP-Hauptarchiv gelandet, von dort kamen sie nach dem Krieg aber nicht in den entsprechenden Bestand, sondern ich fand sie im amerikanischen Document Center in Berlin; Beobachtungsakten aus der Weimarer Zeit tauchten in den Akten der «Deutschen Arbeitsfront» auf: es war eine aufregende Detektivarbeit. Aber die offenbar von der Gestapo angelegte zentrale Akte über Tucholsky konnte ich bislang leider nicht finden. Ebenso schwierig war es, die Nachlässe der Wegbegleiter Tucholskys aufzuspüren. Der Krieg hat auch hier eine breite Zerstörungsspur hinterlassen. Was gerettet wurde, ist dann manchmal von den Erben weggeworfen worden. So hatte ich nach über einjähriger Suche endlich die Adressen der Erben von Emil Jannings und Gussy Holl, nur um zu erfahren« dass fast alles «auf einer großen Rutsche vom Dachboden in Abfallcontainer gewandert war. Lediglich einige wenige Briefe Tucholskys entgingen dieser «Entrümpelungsaktion». (...)

      Inzwischen hat sich mein Verhältnis zu Tucholsky geändert. Gerade dadurch, dass er Ecken und Kanten zeigte, dass er eben nicht ein stromlinienförmiger linker «Heuiger» war, wurde er mir immer sympathischer. Denkmäler verstellen nur den Zugang zu .Werk und Person. Sie sind zwar bequem, weil man sich die Auseinandersetzung ersparen kann. Gleichzeitig nimmt man die Person auf dem Sockel aber auch nickt ernst, verweigert ihr das Leben. Wenn wir Tucholsky endlich die Dimension des Menschlichen zurückgeben, die sein Werk auszeichnet, können wir uns vielleicht ein Stuck weit in ihm wiederfinden mit unseren Ängsten, Sorgen, Problemen. Kurt Tucholsky, ein Mensch und grandioser Schriftsteller, der gerade durch seine Stärken und Fehler glaubhaft ist und der dadurch uns und der jüngeren Generation in diesen schwierigen Zeiten wieder etwas zu sagen hat.

       

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