Tucholskys Kampf gegen die Nazis
n der Person Kurt Tucholskys bündelt sich geradezu das, was das Feindbild der Nazis ausmachte: Er war Jude, linker Demokrat, Intellektueller, ein intelligenter und aufrichtiger Mensch, weltläufig, mit Weitblick und kritisch vor allem dem gegenüber, was in seiner Heimat geschah. Genauso stellten die Nazis wohl die Quintessenz dessen dar, was KT verabscheute, verachtete und bekämpfte. Folgerichtig gehörte KT auch zu jenen Autoren, deren Werke nach der Machtergreifung der Nazis als erste verboten und am 10. Mai 1933 verbrannt wurden und die im August 33 ausgebürgert wurden. Die Machtergreifung der Nazis erlebt Tucholsky in Paris, wo er von 1924 bis 1928 lebt. Akustische Bekanntschaft mit Hitler und anderen Nazigrößen macht er durch das Radio. Er schreibt darüber an Walter Hasenclever:
"...Das war sehr merkwürdig. Also erst Göring, ein böses, altes
blutrünstiges Weib, das kreischte und die Leute richtig zum
Mord aufstachelte. Sehr erschreckend und ekelhaft. Dann Göbbels
mit den leuchtenden Augen, der zum Volk sprach, dann Heil und
Gebrüll, Kommandos und Musik, riesige Pause, der Führer hat
das Wort. Immerhin, da sollte nun also der sprechen, welcher...
ich ging ein paar Meter vom Apparat weg und ich gestehe, ich
hörte mit dem ganzen Körper hin. Und dann geschah etwas sehr
Merkwürdiges. Dann war nämlich gar nichts. Die Stimme ist nicht gar so
unsympathisch wie man denken sollte - sie riecht nur etwas nach
Hosenboden, nach Mann, unappetitlich, aber sonst geht's. Manchmal
überbrüllt er sich, dann kotzt er. Aber sonst: nichts, nichts,
nichts. Keine Spannung, keine Höhepunkte, er packt mich nicht,
ich bin doch schließlich viel zu sehr Artist, um nicht noch
selbst in solchen Burschen das Künstlerische zu bewundern, wenn
es da wäre. Nichts. Kein Humor, keine Wärme, kein Feuer, nichts.
Er sagt auch nichts als die dümmsten Banalitäten, Konklusionen,
die gar keine sind - nichts.
Ceterum censeo: ich habe damit nichts zu tun."
Tatsächlich war es so, dass er für die abgrundtiefe Banalität und Dummheit der Nazis nur eiskalte Verachtung übrig hatte. Er äußerte einmal Satire könne gar nicht so tief schießen um diese Leute zu treffen. Trotzdem verkannte er die Gefährlichkeit der Nazis nicht und auch nicht deren Entschlossenheit alle Macht an sich zu reißen und auf das Recht keine Rücksicht zu nehmen. Als sein Bruder Fritz sein Amt verliert und nach Prag fliehen muss schreibt er an Kurt und deutet an, dass man eigentlich gegen solch einen Rechtsbruch klagen müsse. Fritz unterliegt der Illusion, der sich viele Juden und Demokraten im Deutschland jener Zeit hingaben, dass nämlich die Nazis noch einen Funken Legalität wahren würden und dass nicht alles so schlimm kommen würde. Kurt schreibt seinem Bruder illusionslos zurück:
"Schadenersatzforderungen haben keine Aussicht: übrigens fände
ich es leicht komisch, wenn zum Beispiel ich das täte. Ist mir
Unrecht geschehen? Krieg ist Krieg - ich halte alle Maßnahmen,
die gegen mich gerichtet sind für revolutionär erlaubt. Es ist
nur schade, dass wir sie nicht angewandt haben."
Sein vergeblicher Kampf gegen die Nazis, die Tatsache, dass diese in Deutschland die Macht ergreifen konnten und dass das Ausland auch nichts gegen Hitler unternahm, trugen sicher wesentlich dazu bei, dass er resignierte, in seinen letzten Lebensjahren nichts mehr veröffentlichte (er durfte nichts mehr veröffentlichen) und sich schließlich das Leben nahm.